Konservative Behandlung von Schultergelenkserkrankungen

Ansätze, Methoden und Therapieoptionen

Einleitung

Erkrankungen des Schultergelenks zählen zu den häufigsten Ursachen für Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im Bereich des Bewegungsapparates. Sie betreffen Menschen aller Altersgruppen und können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Nicht immer ist eine Operation notwendig oder sinnvoll – in zahlreichen Fällen können konservative (also nicht-operative) Maßnahmen die Beschwerden lindern, die Funktion verbessern und die Heilung fördern. Dieser Text beleuchtet die wichtigsten konservativen Behandlungsmöglichkeiten bei Schultergelenkserkrankungen.

Häufige Schultergelenkserkrankungen

Bevor auf die Behandlung eingegangen wird, lohnt sich ein kurzer Überblick über die häufigsten Erkrankungen, die konservativ behandelt werden können:

  • Impingement-Syndrom: Engpass zwischen Schulterdach und Oberarmkopf mit schmerzhafter Sehnenreizung.
  • Rotatorenmanschetten-Tendopathien: Überlastung, Reizung oder Teilriss der Sehnen, die das Schultergelenk stabilisieren.
  • Adhäsive Kapsulitis („Frozen Shoulder“): Verklebung und Schrumpfung der Gelenkkapsel mit stark eingeschränkter Beweglichkeit.
  • Schultereckgelenksarthrose und Glenohumerale Arthrose: Degenerative Veränderungen des Gelenkknorpels.
  • Bursitis subacromialis: Entzündung des Schleimbeutels unter dem Schulterdach.
  • Kalkschulter (Tendinosis calcarea): Kalkeinlagerungen in den Sehnen der Rotatorenmanschette.

Allgemeine Ziele der konservativen Therapie

Die konservative Behandlung verfolgt mehrere Ziele:

  • Schmerzlinderung
  • Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Beweglichkeit
  • Verbesserung der Muskelfunktion und Koordination
  • Vermeidung von Folgeschäden (z. B. Muskelabbau, Fehlhaltungen)
  • Reduktion von Entzündungen und Schwellungen

Konservative Therapieverfahren im Überblick

1. Schonung und Anpassung der Alltagsaktivitäten

Oft ist es notwendig, auslösende oder verstärkende Bewegungen und Belastungen zu reduzieren. Das bedeutet nicht absolute Ruhigstellung, sondern vielmehr eine Anpassung der Aktivitäten im Alltag. Überkopfarbeiten, schweres Heben oder ruckartige Bewegungen sollten für eine bestimmte Zeit vermieden werden. Eine vollständige Inaktivität ist zu vermeiden, da sie zu Einsteifung und Abbau der Muskulatur führen kann.

2. Physiotherapie und Krankengymnastik

Die Physiotherapie ist das Herzstück der konservativen Behandlung. Ziel ist es, die Beweglichkeit zu erhalten oder zu verbessern, die Muskulatur zu stärken und die Schulter wieder funktionsfähig zu machen. Wichtige Methoden sind:

  • Mobilisation: Gezielte Bewegungsübungen unter Anleitung, um Verklebungen zu lösen und die Beweglichkeit zu fördern.
  • Kräftigung: Aufbau der Rotatorenmanschetten- und Schultermuskulatur zum Ausgleich muskulärer Dysbalancen.
  • Koordinations- und propriozeptives Training: Verbesserung der Steuerung und Stabilität des Schultergelenks.
  • Dehnübungen: Steigerung der Kapsel- und Muskeldehnbarkeit, gerade bei der „Frozen Shoulder“.
  • Manuelle Therapie: Spezielle Handgriffe zur Mobilisation der Gelenke und Linderung von Schmerzen.

3. Physikalische Therapie

Zusätzlich zur aktiven Physiotherapie kommen verschiedene physikalische Maßnahmen zur Anwendung:

  • Kälte-/Wärmeanwendungen: Kälte zur Entzündungshemmung und Schmerzlinderung, Wärme zur Muskelentspannung.
  • Ultraschall- oder Elektrotherapie: Förderung der Durchblutung und Heilung durch gezielten Energieeinsatz.
  • Hydrotherapie: Bewegungsübungen im Wasser zur Entlastung des Schultergelenks.
  • Stoßwellentherapie: Besonders bei Kalkablagerungen effektiv, zur Förderung des Abbaus von Kalk und Schmerzlinderung.

4. Medikamentöse Therapie

Medikamente dienen vor allem dazu, Schmerzen und Entzündungen zu kontrollieren:

  • Analgetika (Schmerzmittel): Paracetamol oder nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac.
  • Lokale Injektionen: Kortikosteroide (Kortison) können bei starken Entzündungen direkt ins Gelenk oder an den Schleimbeutel gespritzt werden.
  • Muskelrelaxantien: Bei ausgeprägter Muskelverspannung zur kurzfristigen Anwendung.

Die medikamentöse Therapie sollte immer nur so kurz und niedrig dosiert wie möglich erfolgen, um Nebenwirkungen zu vermeiden.

5. Ergotherapie

In der Ergotherapie wird gezielt daran gearbeitet, die Schulterfunktion im Alltag zu verbessern. Individuelle Hilfsmittel und Techniken helfen, den Alltag besser zu bewältigen und Überlastungen zu vermeiden.

6. Alternative und ergänzende Maßnahmen

Viele Patient*innen profitieren von ergänzenden Therapieansätzen wie Akupunktur, Taping, Faszienbehandlungen oder osteopathischer Therapie. Auch Entspannungsverfahren (z. B. progressive Muskelentspannung) können hilfreich sein, um chronische Schmerzen zu lindern.

Spezielle Aspekte bei einzelnen Erkrankungen

Impingement-Syndrom

Neben Physiotherapie ist die gezielte Kräftigung der Schultermuskulatur und das Einüben schonender Bewegungsabläufe entscheidend. In vielen Fällen bessern sich die Beschwerden unter einer mehrwöchigen Therapie deutlich.

Frozen Shoulder

Hier steht ein Phasenmodell im Vordergrund: Zunächst dominieren Schmerzen (Schmerzphase), dann die Einsteifung (Frozen-Phase) und schliesslich die Wiederlösung (Thawing-Phase). Die Behandlung richtet sich nach den Phasen: In der Schmerzphase stehen Schonung und Schmerztherapie im Vordergrund, in späteren Phasen aktive Mobilisation und Dehnung.

Kalkschulter

Wärme, Stoßwelle und entzündungshemmende Medikamente sind die konservativen Therapiesäulen. In vielen Fällen baut sich der Kalk im Laufe der Zeit spontan ab.

Arthrose

Hier ist die Kombination aus Physiotherapie, physikalischen Maßnahmen und ggf. Injektionen sinnvoll, um die Funktion zu erhalten und Schmerzen zu lindern.

Verlauf und Prognose

Bei vielen Schultergelenkserkrankungen kann durch konsequente konservative Therapie eine Operation vermieden werden. Entscheidend ist die frühzeitige, individuell angepasste und möglichst ganzheitliche Behandlung. Dennoch gibt es Situationen, in denen eine Operation nötig wird – etwa bei kompletten Sehnenrissen, fortgeschrittener Arthrose oder ausbleibender Besserung unter konservativen Maßnahmen.

Fazit

Die konservative Behandlung von Schultergelenkserkrankungen ist ein multimodaler Ansatz, der verschiedene Disziplinen miteinander verbindet. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Patient*in, Ärzt*in, Physiotherapeut*in und ggf. Ergotherapeut*in ist entscheidend für den Erfolg der Therapie. Die meisten Erkrankungen sprechen gut auf ein individuell abgestimmtes, nicht-operatives Vorgehen an und ermöglichen eine Rückkehr zu schmerzfreier Bewegung und besserer Lebensqualität.


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